Mittwoch, 15. August 2012

Aiguille Verte (4122m) – Moine-Grat (AD, Fels: III/IV)

Bei unserer Ankunft auf der Hütte wurde vermerkt, welche Tour wir gehen wollten. Wir nannten den Moine-Grad und legten die Zeit für unser Frühstück fest. Die Hüttenwirtin meinte, dass für die Tour normalerweise um Mitternacht oder um 1:00 Uhr morgens losgegangen wird. Wir waren etwas überrascht, weil wir eigentlich um 3:00 Uhr losgehen wollten, da wir ja sonst gar nichts sehen würden, wenn wir nach ca. zwei Stunden in den Fels einstiegen. Wir legten eine Frühstückszeit von 1:30 Uhr als Kompromiss fest.

Nach späterer Überlegung standen wir dennoch erst um 2:00 Uhr morgens auf und nahmen das Frühstück im Gastraum ein, in dem neben uns noch eine Seilschaft war, die um 1:30 Uhr unser Lager verlassen hatte. Unsere Nacht war durch einen Nachzügler im Lager etwas unruhig gewesen. Anstelle sich auf die Matratze neben seiner Frau zu legen, legte er sich auf die beiden Matratzen neben uns. Anstelle sich einfach hinzulegen, leuchtete er noch lange mit seiner Stirnlampe herum und kramte in seinen Taschen. Anstelle einfach einzuschlafen, fiel ihm irgendwann später noch ein, mit dezenten Schmatzgeräuschen neben mir einen Apfel zu essen.

Um 2:50 Uhr vor der Hütte zum Start in die Nacht.

Wir kamen etwas spät (50 Minuten nach dem Aufstehen) los und starteten den Weg an der alten Hütte vorbei zum Gletscher hinauf, den wir am Tag zuvor schon ausgekundschaftet hatten. Nach kurzer Zeit erreichten wir den Gletscher und legten die Steigeisen an, da dieser an manchen Stellen ziemlich steil ist und auch Passagen über blankes Eis am Vortag zu sehen gewesen waren.

Die Spur, der wir folgten, war ziemlich gut im Dunkeln zu finden. Wie wir von zwei Leuten auf der Hütte, die am Tag zuvor kurz unterhalb des Gipfels der Aiguille Verte biwakierten, erfahren hatten, würde uns die deutlichste Spur auf dem Gletscher direkt zum Einstieg am Bergschrund zum Moine-Grat führen. Die Nacht war stockduster. Es war kaum möglich, die Silhouetten der Berge gegen den Nachthimmel auszumachen. Eine Orientierung war also abgesehen von der Spur kaum möglich.

Am Bergschrund über uns in die Höhe ragender Firnzwackel,
der in die schwarze Nacht hinauszeigt.

Um kurz nach fünf erreichten wir den Bergschrund, zu dem wir eine steilere Firnwand hinaufklettern mussten. Die Wand ließ sich sehr gut gehen, da der Firn gut griffig war. Über große Firnblöcke durchstiegen wir die Spalte des Bergschrunds. Hier deponierten wir auch unsere Stöcke, die wir erst wieder für den Abstieg brauchen würden. Wir gingen nach ein paar Orientierungsversuchen schräg nach links eine Felsplatte ein paar Meter nach oben, um dann von hinten auf von oben herunter ragenden Firn aufzusteigen. Dieser Firn erlaubte uns, eine kleine Firnwand hochzusteigen und so den Bergschrund vollends zu überwinden.

Morgendämmerung über dem Mont Blanc um 6:24 Uhr.

Wir suchten nach dem Bergschrund den beschriebenen Weiterweg über eine Rampe, die sich nach links hinaufziehen sollte. Erst gingen wir zu weit links und kamen in steile Felspassagen, die kaum kletterbar aussahen. Wir mussten wieder umkehren und versuchten dann eher etwas gerade hoch weiterzukommen. Die Rampe sollte leicht zu finden sein und maximal IIIer Felsstellen aufweisen. Es gelang uns anscheinend nicht, sie von Anfang an zu finden. Wir erkletterten eine ziemlich harte und garstige Verschneidung zu einem Abseilstand, die im folgenden Bild zu sehen ist.

Steile Verschneidung im Fels, die wir eher mit einem
Schwierigkeitsgrad oberhalb III bewerten würden.

Wir schafften es trotz der kleinen Verhauer am Anfang irgendwann, auf die beschriebene Rampe zu kommen. Vereinzelt fanden wir Steinmänner vor, und es waren auch deutliche Begehungsspuren sichtbar. Langsam wurde es hell um uns, was eine Orientierung deutlich erleichterte. Wären wir noch früher gestartet, hätte dies wohl auch ein Problem für uns dargestellt, da wir ja den Weg nicht im Detail kannten.

Die Morgensonne auf dem Mont Blanc um 6:36 Uhr.

Unser Weg zog sich ziemlich weit nach links die Flanke hinauf. Fast am Grat und 50m unterhalb einer Scharte sollte man wieder nach rechts gehen, um kurz unterhalb des Grates weiter aufzusteigen. Wir nehmen an, dass wir etwas zu weit unten schon gequert sind. So kamen wir in eine auch schon weiter unten zu erkennende aber von uns dort gemiedene Schuttrinne. In dieser Rinne befand sich ziemlich lose Erde und Geröll, das leicht ins Rutschen kam.

Die Sonne scheint über die Droite um 7:44 Uhr.

Lange mussten wir der Rinne nicht folgen, sondern stiegen direkt an ihrem Ende zu einer Gratkante auf. Ein Blick über die Kante überrasche mich: Wo ich den Rest des Bergs vermutet hatte, brach es einfach zum Gletscher hin ab. Wir mussten uns etwas nach links zum eigentlichen Grat orientieren, konnten aber nicht ganz einfach erkennen, wo man endlich auf den Grat kommen würde. Wir stiegen weiter eine Weile neben den Grat empor und erkletterten ihn irgendwann über einige kurze aber ziemlich steile Felspassagen. Als wir nun auf dem Grat standen, sahen wir zwei Seilschaften, die am Abstieg waren. Es waren immer noch sehr viele Höhenmeter bis zum Gipfel vor uns.

Chuck in einer steilen Firnpassage mit einem
beeindruckenden Tiefblick.

Der Weg von der Hütte bis zum Gipfel ist im Führer mit 2h (Zustieg bis Bergschrund) + 5-7h (Aufstieg auf Grat) angegeben. Am Anfang hatten wir ein bisschen Zeit verloren, das Gelände war sehr unübersichtlich, und ich sah sehr lange Zeit nie den Gipfel, sodass es schwer einzuschätzen war, wie wir überhaupt in der Zeit lagen.

Chuck kurz vor dem Betreten eines schmalen Firngrates.

Unser Weg zog sich über einige jeweils kurze Firnpassagen zum Teil in steileren Flanken, zum Teil aber auch auf schmalen Graten und Wächten. Anfangs waren wir ohne Steigeisen geklettert, hatten diese aber nun doch angelegt, da immer wieder Firn kam und die reine Felsschwierigkeiten (bis auf eine Ausnahme mit Fixkeil und Schlinge gesichert) nicht mehr so hoch waren.

Ein weiteres kurzes Stück Firngrat mit einem atemberaubenden
Tiefblick auf die Gletscher unter uns (links: Talèfre; rechts: Tacul
und nach Mündung mit Leschaux dann Mer de Glace).

Endlich zeigte sich der Gipfel der Aiguille Verte, der sich bisher immer hinter erneuten Felsaufschwüngen versteckt gehalten hatte. Auf dem Foto oberhalb sieht man Chuck auf den letzten Metern zum schmalen Firngipfel auf 4122m.

Das Panorama vom Gipfel aus nach Südwesten.

Als wir den Gipfel erreichten, war es 11:43 Uhr. Somit hatten wir für den Aufstieg seit der Hütte knapp 9h gebraucht und waren damit noch in der angegebenen Führerzeit.

Chuck auf dem Gipfel der Aiguille Verte (4122m).

Es war auf dem Gipfel ziemlich windig, und wir hielten uns nur knapp 10 Minuten dort auf, um den sagenhaften Aus- und Tiefblick zu genießen. Dann machten wir uns jedoch wieder an den Abstieg, um an einer windgeschützteren Stelle eine kleine Essenspause einzulegen.

Gipfelfoto von mir auf dem kleinen Firngipfel der Aiguille Verte (4122m).

Den größten Teil des Abstiegs begingen wir über unseren Aufstiegsweg. Da der Moine-Grat ein häufig als Abstieg genutzter Weg ist, fanden wir an den steileren Stellen meist Abseilschlingen. Einige Stellen waren jedoch nicht zum Abseilen ausgerüstet, und so kletterten wir auch öfters mit eigenen Zwischensicherungen, die einer legte und der andere wieder einsammelte, gemeinsam am Seil ab. Ein paar Stellen kamen uns im Abstieg ziemlich heikel vor, und einmal opferten wir auch eine Schlinge, um uns daran abzuseilen. Das Opfern von Schlingen ist in dieser Tour anscheinend keine Seltenheit, und an vielen Stellen sieht man Schlingen über Zacken hängen.

Weiter unten im Abstieg um 17:16 Uhr.

Der Abstieg zog sich. Wir waren schon lange unterwegs und merkten nun auch, dass wir doch langsam müde wurden. Das Gelände war immer noch anspruchsvoll, und Fehler sollten besser nicht unterlaufen. Konditionell schienen wir beide, trotz der bisherigen Länge der Tour, noch ganz gut drauf zu sein.

Nach Verlassen des Grates wieder in der Sandkasten-Flanke
des Grates über dem Bergschrund und Talèfre Gletscher.

Nach dem Verlassen des Grates über mehrfaches Abseilen in die Flanke hinunter wurde das Gelände wieder sehr bröselig. Wir folgten den gut sichtbaren Steinmännern, die uns in Richtung der Scharte brachten, an welche man sich schon im Aufstieg orientiert. Trotz mehrfachem Ausschau Halten nach dem Band, das in der Flanke wieder in die entgegengesetzte Richtung ziehen sollte, fanden wir es nicht. Wir folgten weiter Steinmännern, die uns jedoch zu einem Abbruch führten, an dem wir keine Abseilstellen fanden.

Kleinere Steinmänner standen immer wieder herum, schienen aber in die Irre oder zu Abbrüchen zu führen. Wir sahen unter uns eine breitere Terrasse, von der man anscheinend über den Bergschrund abseilen konnte. Nach weiterem Herumsuchen entschieden wir uns, abermals Material zu opfern, um uns zur Terrasse abzuseilen. Zum Opfern kam es nicht, da wir ein paar Meter über uns eine Schlinge sahen, die ich ankletterte, um dann von dort aus abzuseilen. Wir erreichten die Terrasse und seilten von dort aus zwei Mal (wobei das zweite sehr kurz war) bis knapp über den Firn ab. Vom letzten Abseilstand im Fels konnten wir uns gerade in den Bergschrund abseilen. Die Firnblöcke im Bergschrund waren nun etwas weicher, und einige fielen unter uns zusammen.

Absteigen im Firn nach dem Überwinden des Bergschrunds.

Nachdem wir nun auch den Bergschrund hinter uns hatten, lag um 19:23 Uhr nur noch der Gletscher zwischen uns und der Hütte. Langsam aber sicher war bei mir auch die Luft raus. Das Gelände war nun weniger heikel, und so merkte ich auch, dass ich doch schon ganz schön erschöpft war.

Wir erreichten die Hütte um 20:47 also nach knapp 18h Tour. Somit hatten wir für den Aufstieg sowie für den Abstieg jeweils ca. 9 Stunden gebraucht.

Zu unserer Überraschung fragte uns die Hüttenwirtin beim Betreten des Gastraums, ob wir denn noch das Abendessen haben wollten. Dieses Angebot schlugen wir natürlich nicht aus und freuten uns, dass wir so spät nach der eigentlichen Essenszeit (18:30 Uhr) noch etwas Warmes bekamen. Nach dem Essen dauerte es nicht lange, bis wir uns in unser zugewiesenes Lager verzogen und nach der langen Tour ziemlich kaputt in die Matratzen sanken.

Am nächsten Tag kamen wir um 7:30 Uhr zum Frühstück, das bis 8:00 Uhr möglich sein sollte. Im Gastraum trafen wir verhältnismäßig viele Leute an, was wohl daran lag, dass es draußen sehr neblig war und regnete. Wir ließen uns Zeit mit dem Frühstück und dem Packen, wollten dann aber auch nicht unbedingt noch länger warten und beschlossen den Abstieg anzugehen.

Um kurz nach 9:00 Uhr vor der Couvercle Hütte. 
Ähnliche Fotos an der gleichen Stelle, aber bei besserem Wetter, 
existieren aus dem Juli 2008 und August 2004 (siehe unten in dem 

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